Ausgangslage und Leitidee
Die Villa «Am Römerholz» mit den Kunstwerken sowie der Gartenanlage bilden ein untrennbares Ensemble. Die Sammlung «[...] ist eine der hochkarätigsten privaten Kunstsammlungen weltweit.» (Bilfinger, Monika et al. (2010). Sammlung Oskar Reinhart am Römerholz. Bern: Bundesamt für Bauten und Logistik.) Die Bedeutung dieser Gesamtanlage ist Anlass genug, sich Gedanken zu einem Erweiterungsbau zu machen. In Zukunft sollten höhere Besucherfrequenzen die Qualität dieser herausragenden Kunstsammlung würdigen. Obwohl momentan keine konkreten Bedürfnisse für einen Erweiterungsbau vorliegen, wurde im Rahmen der Berufsmaturitätsarbeit an der gestalterischen BMS St. Gallen selbständig ein Projekt ausgearbeitet.
Als grosses Vorbild für das Projekt dient die Leitidee der Fondation Beyeler in Riehen BL, welche in einen öffentlichen Park eingebettet ist und so auch als Erholungsort dient. Dieses Potential könnte beim «Römerholz» ebenso verwirklicht werden. Eine neue Architektur könnte zu einer grösseren Beachtung und einer eigentlichen Selbstverständlichkeit führen und würde ein stimmungsvolles Ensemble entstehen lassen. Die Villa mit ihrer markanten und hochwertigen Architektur soll auch weiterhin prägnanter Hauptbau des Areals bleiben.
Städtebau und Topografie
Der unterirdische, mit vier Gebäudearmen aus dem Hang tretende Erweiterungsbau ist aus dem Stadtraum nur partiell sichtbar. Durch die Höhenabsenkung ordnet sich dieser der Villa hierarchisch unter. Die Gebäudearme variieren in ihrer Breite und sind in der Länge zusätzlich gestaffelt, was ein Spiel der Dimensionen ermöglicht.
Fassadengestaltung / Materialisierung
Die Gebäudearme sind mit je einer grossflächigen, messingumrahmten Fensteröffnung betont. Die abgeschrägten, mit hellem Blech verkleideten Fensterleibungen geben der Fassade eine moderne Akzentuierung und ermöglichen durch ihren Einfallswinkel mehr Tageslicht in den Räumen und führen den Blick in den Park. Die Fassade ist horizontal gegliedert, wobei der Sockel mit feinem Sichtbeton und die obere Partie mit gestocktem Laufener Kalkstein aus dem Schweizer Jura verkleidet ist. Der Stein stellt eine zeitgemässe Adaption zum Material an der Villa dar.
Grundrissgestaltung
Das best. Untergeschoss erhält eine Durchdringung quer zu seiner eigenen Orientierung und wird so zum «Stapel». Gerade hierarchisch ist in diesem Projekt ein «Stapelungsprinzip» plausibel. Die neue Erschliessung befindet sich in einer Raumnische, wo nun eine grosse Wendeltreppe in die beiden Untergeschosse führt. Im 1. Untergeschoss empfängt neu eine vergrösserte Garderobenhalle. Es leitet eine weitere Wendeltreppe in das 2. Untergeschoss, dem Herzstück des neuen Museums. Die Durchquerung der ersten drei Wandöffnungen wirkt wie ein grossmaschiges Sieb, welches die Besucher in das Entrée leitet. Um dieses Entrée gliedern sich sechs Ausstellungsräume. Unterhalb dieser Räume docken je zwei längliche Querhallen an, von wo die jeweils zwei Gebäudearme zugänglich sind. Die Dimensionen der 12 Säle variieren und lassen eine flexible Ausstellungsgestaltung zu. Der Neubau gewährt Sichtbeziehungen zwischen den Räumen im Konstruktionsraster oder auch zwischen den unterteilten Gebäudepartien.
Raumgestaltung / Materialisierung
Das Innere setzt auf eine zurückhaltende Materialienwahl. Zwischen hellem, geschliffenem Betonboden und dunkler Betondecke spannt sich
eine analog der Aussenwand horizontal gegliederte Wand auf. Im unteren Drittel ist sie ebenso mit hellem Beton ausgeführt, wobei darüber eine Textilbespannung den nötigen Untergrund für die Kunstwerke gibt. Die raumhohen Türen zwischen den Ausstellungsräumen führen mit ihren Messing-Leibungen die Materialisierung der Fenster in den Innenraum.
Umgebung / Oskar-Reinhart-Park
Der «Oskar-Reinhart-Park» wird über eine im Portalgebäude platzierte Treppe betreten und lässt mit einer ersten Sichtachse das auf der Hangkante thronende Museum als «gerahmtes Bild» erscheinen. Das Museum wird so selbst zum Kunstwerk. Das Portalgebäude ist aus diesem Zweck mit seinem östlichen Gebäudewinkel zur Villa ausgerichtet. Dem Erweiterungsbau vorgelagert ist ein grosszügiges Wasserbecken. Der ganzjährig öffentliche Park setzt die Leitidee der Fondation Beyeler in Riehen um.
Nutzung
Die neu projektierten Nutzflächen (ca. 1100 m2) entsprechen einer massiven Vergrösserung der aktuellen Ausstellungsflächen (ca. 800 m2). Die eigenen Bestände dürften nicht ausreichen, den Neubau zu bespielen, wodurch eine Neuausrichtung notwendig ist - eine grosse Chance! Denkbar ist ein «Oskar-Reinhart-Zentrum», in welchem renommierte Ausstellungen mit eigenen und ausgeliehenen Kunstwerken möglich sind.
Projekttitel
«Der Hang zur Kunst»
Art
Neubau /
Studie aus Eigeninitiative
Jahr
Studie 2018
Auftraggeber
Maturitätsarbeit
BMS St. Gallen | Ausrichtung Gestaltung
Link zur Sammlung